4. April 2017 | 🕑 Lesezeit: 3 Minuten
Kann man wegen Insolvenz die Wohnung verlieren?
Geldprobleme können so schwerwiegend werden, dass selbst die regelmäßige Zahlung der Miete zum Problem wird. Dann, aber auch wenn bereits ein Insolvenzantrag gestellt wurde, kommt die Frage auf, ob bei Insolvenz die Wohnung gekündigt werden kann.
Wann kann mir bei Insolvenz die Wohnung gekündigt werden?
Grundsätzlich gibt es mit § 112 Insolvenzordnung eine Kündigungssperre für Vermieter. Das bedeutet, Mietschulden, die vor Insolvenzantrag angefallen sind, sind keine Begründung um bei Insolvenz die Wohnung zu kündigen. Stattdessen muss Ihr Vermieter die fehlenden Mieten zur Insolvenztabelle anmelden, damit die offenen Forderungen aus der Insolvenzmasse befriedigt werden können.
Nach dem Insolvenzantrag muss die Miete gezahlt werden, da die Kündigungssperre ausschließlich für Mietschulden vor Insolvenzantrag gilt. Die Zahlung übernimmt dann Ihr Insolvenzverwalter. Auch dieser kann nicht einfach in der Insolvenz Ihre Wohnung kündigen. Er hat jedoch die Möglichkeit, eine Enthaftungs- oder Freigabeerklärung nach § 109 Abs. 1 S. 2 Insolvenzordnung abzugeben, durch die Sie die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über Ihr Mietverhältnis zurück erlangen.
Durch eine solche Enthaftungs- oder Freigabeerklärung erklärt Ihr Insolvenzverwalter Ihrem Vermieter, dass nach Ablauf von einer Frist von 3 Monaten Sie unter anderem wieder für die Zahlung der Miete zuständig sind. Fehlen dann zwei aufeinanderfolgende Mietzahlungen, kann Ihnen in der Insolvenz die Wohnung wegen dieser neuen Mietschulden gekündigt werden. Die Enthaftungs- oder Freigabeerklärung hat auch zur Folge, dass die offenen Forderungen Ihres Vermieters nicht durch Veräußerung der Insolvenzmasse befriedigt werden.
Entscheidung des BGH im Juni 2015
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am 17. Juni 2015 (AZ: VIII ZR 19/14) entschieden, dass bei Insolvenz die Wohnung des Schuldners trotz Kündigungssperre des § 112 Nr. 1 Insolvenzordnung vom Vermieter fristlos gekündigt werden kann, wenn der Insolvenzverwalter zuvor die Enthaftungs- oder Freigabeerklärung nach § 109 Abs. 1 S. 2 Insolvenzordnung abgegeben hat.
Wer also durch Enthaftungs- oder Freigabeerklärung wieder über sein Mietverhältnis entscheiden darf, muss auch für die zugehörigen Mietschulden aufkommen - unabhängig vom Entstehungszeitraum der Zahlungsrückstände.
Für Sie bedeutet das: Sind Sie insolvent und haben Sie Mietschulden, die bereits vor Insolvenzantrag entstanden sind, kann Ihnen dann die Wohnung auch wegen dieser früheren Mietrückstände fristlos gekündigt werden, wenn Ihr Insolvenzverwalter eine Enthaftungs- oder Freigabeerklärung abgegeben hat. Die Kündigungssperre des § 112 Insolvenzordnung gilt dann nämlich nicht. Sie können dann auch auf Räumung und Herausgabe der Wohnung verklagt werden. Die fristlose Kündigung können Sie wie bei Mietschulden ohne Insolvenz heilen.
Ausnahmen: Dann ist bei Insolvenz die Wohnung kündbar
Der Kündigungsschutz gilt nur, wenn Sie bereits vor Insolvenzantrag in der Wohnung gewohnt haben, Ihnen die Wohnung also bereits überlassen wurde (§ 109 Abs. 2 InsO). Ansonsten steht es dem Vermieter und auch dem Insolvenzverwalter zu, unmittelbar von dem Mietverhältnis zurückzutreten. Auch vor Insolvenzantrag wirksam ausgesprochene Kündigungen oder Räumungsklagen bleiben bei Insolvenz wirksam.
Mietschulden sind Primärschulden
Da Mietrückstände bedeuten können, dass Sie das Dach über Ihrem Kopf verlieren, sollten Sie diese stets zuerst begleichen. Möchten Sie mehr zu Primärschulden und weiteren Schuldenarten erfahren, finden Sie Informationen unter Schuldenarten.