4. Mai 2016 | 🕑 Lesezeit: 3 Minuten
Von der Schmuddelecke zum medialen Zugpferd
Mit der RTL-Dokuserie "Raus aus den Schulden" und Schuldnerberater Peter Zwegat fing es an. Die finanzielle und persönliche Situation überschuldeter Personen und Familien wurde regelmäßig öffentlich, wobei sich Peter Zwegat häufig als moralischer Oberlehrer mit erhobenem Zeigefinger inszenierte.
Die in der Sendung dargestellten Hausbesuche sind zwar in der öffentlichen Schuldnerberatung und auch in unserer Kanzlei überhaupt nicht die Regel, aber nur so konnte das neugierige und "gespannte" Fernsehpublikum überhaupt einmal durch das Schlüsselloch in die Privatsphäre ziemlich heruntergewirtschafteter Existenzen schauen - was der Einschaltquote sicherlich gut tat.
Weniger gut geeignet war die Serie, um ein realistisches Bild der täglichen Arbeit bei den öffentlichen Schuldnerberatungsstellen und Anwaltskanzleien abzugeben. In aller Regel kommt ein Schuldnerberater eben nicht zum Schuldner nach Hause, wohl aber der eine oder andere unseriöse Trittbrettfahrer der Branche. Der Schuldner muss also besser schon selbst aktiv werden.
Auch wird ein seriöser Schuldnerberater bzw. eine beauftragte Anwaltskanzlei nicht primär den persönlichen Lebenswandel seiner "Mandanten" bewerten und kommentieren, sondern sich als finanzieller Ratgeber auf die Sache konzentrieren, also prüfen, inwieweit die Vermeidung einer Privatinsolvenz durch Vergleich möglich ist bzw. die formalen Schritte in die Privatinsolvenz begleiten.
Außerdem ist das Problem der Überschuldung durchaus nicht nur ein "Unterschichten"-Thema mit Durchschnittseinkünften unterhalb der Pfändungsgrenze und Menschen, die beim Einmaleins schon so ihre Schwierigkeiten haben.
Vielmehr kommen in Deutschland zunehmend mehr Menschen aus dem klassischen "Mittelstand" in eine bedrohliche wirtschaftliche Schieflage. Und mit dieser Entwicklung nehmen die Dokumentationen und Talkrunden im Fernsehen zu, weg von einer Nachmittagssoap hin zu den Sendern und Sendungen, denen man auch jenseits von reinem Schlüsselloch-Journalismus noch etwas zutraut.
Und plötzlich tauchen auch mehr und mehr Prominente auf, die öffentlich über ihre eigene Überschuldungssituation auch durch Immobilien-Schulden sprechen. Das ist zwar auch nicht immer repräsentativ für die mehrzahl der Betroffenen, belegt aber, dass das Thema "Privatüberschuldung" aus der Schmuddelecke der Berichterstattung herausgekommen ist. Aktuell erklärte sich der Schauspieler Horst Janson öffentlich, aber auch Prominente wie z.B. Katy Karrenbauer, Wolfgang Lippert, Werner Böhm, Gunter Gabriel, Michelle, Ingrid Steeger oder Carlo von Tiedemann reihen sich ein.
Zuletzt wurde das Thema Überschuldung und Privatinsolvenz erneut bei "Menschen bei Maischberger" in der ARD diskutiert, wobei der Spendenaufruf von Diskussionsteilnehmer Horst Janson durchaus auch für Kritik sorgte. Denn der Promistatus ermöglicht es öffentlichen Personen eben viel eher, solche ungewöhnlichen Maßnahmen zu lancieren. Dem überschuldeten Durchschnittsbürger dürfte das allerdings wenig helfen.
Dennoch ist es positiv zu sehen, dass ein ehemals gesellschaftliches Rand- und Tabuthema wie Überschuldung und Privatinsolvenz mehr und mehr in den Blick der Öffentlichkeit gerät. Trotz allgemeinem wirtschaftlichen Aufschwungs in Deutschland gibt es nämlich eine wachsende Zahl auch an mittelständischen Privathaushalten, die von diesem Aufschwung nicht mehr profitieren.