17. August 2023 | 🕑 Lesezeit: 11 Minuten
Zwangsvollstreckung abwenden
Eine Zwangsvollstreckung bedeutet, dass ein Gläubiger staatliche Hilfe in Anspruch nimmt und ein Verfahren in die Wege leitet, um seine Forderungen beim Schuldner durchzusetzen. Hierzu muss der Gläubiger zuvor bei Gericht einen vollstreckbaren Titel erwirkt haben. Zur Situation der Zwangsvollstreckung kommt es zum Beispiel, wenn der Schuldner auch nach einer oder mehrerer Mahnungen den Forderungen des Gläubigers nicht nachgekommen ist.
Dabei gibt es verschiedene Arten der Zwangsvollstreckung:
- Pfändung Zwangsversteigerung Zwangsräumung
In diesem Artikel geht es darum, wie die Zwangsvollstreckung abgewendet werden kann. Wenn Sie mehr über die verschiedenen Arten der Zwangsvollstreckung erfahren möchten, finden Sie diese unter Pfändung, Zwangsversteigerung und Zwangsräumung.
Natürlich ist jede Art der Zwangsvollstreckung für den Schuldner eine außergewöhnliche Stresssituation. Trotzdem ist es gerade jetzt besonders wichtig, einen kühlen Kopf zu bewahren und nicht zu verzweifeln. Denn mit der richtigen professionellen Hilfe lassen sich alle Arten der Zwangsvollstreckung abwenden.
Zwangsvollstreckung – Jetzt abwenden, in Zukunft verhindern
Eine akute Zwangsvollstreckung abzuwenden hat bei Schuldnern oft die höchste Priorität, dennoch sollte dabei die zukünftige Verhinderung weiterer Zwangsvollstreckungsmaßnahmen nicht vergessen werden. Es gibt dabei verschiedene Möglichkeiten, eine Zwangsvollstreckung abzuwenden:
Inhalt
Hierbei dient ein gerichtliches Vorgehen meistens eher der kurzfristigen Abwendung einer aktuellen Zwangsvollstreckung. Das Ziel eines außergerichtlichen Vorgehens ist in der Regel zusätzlich die langfristige Verhinderung weiterer Vollstreckungen durch andere Gläubiger.
I. Außergerichtliche Einigung
Auch wenn Sie gerade nur an die aktuelle Situation der Zwangsvollstreckung denken können, ist es wichtig, einen Einigungsversuch mit all Ihren Gläubigern anzustreben, da durch die abgewendete Zwangsvollstreckung nur eines Gläubigers trotzdem weitere Vollstreckungen durch andere Gläubiger nicht ausgeschlossen sind.
Ein außergerichtlicher Vergleich bedeutet, dass sich Gläubiger und Schuldner auf eine für beide Parteien tragbare Summe einigen, die vom Schuldner entweder als einmalige Zahlung oder in Raten abbezahlt werden kann. Somit bleibt Ihnen der Besuch des Gerichtsvollziehers bei rechtzeitigem Handeln in der Regel erspart.
Professionelle Hilfe in Anspruch nehmen?
Sie haben die Möglichkeit, selbst in den direkten Kontakt mit den Gläubigern zu treten und zu versuchen auf diesem Weg eine Einigung zu erzielen. Oft macht es jedoch Sinn, sich Unterstützung durch eine anwaltliche Schuldnerberatung zu holen. Denn Schuldnerberatungen mit langjähriger Erfahrungen in diesem Gebiet haben oft andere Möglichkeiten als Privatpersonen und kennen wertvolle Tricks zum erfolgreichen Aushandeln eines außergerichtlichen Vergleichs. Da eine professionelle Schuldnerberatung in der Regel die Verhandlungen mit Ihren Gläubigern übernimmt werden Sie darüber hinaus sowohl psychisch, als auch zeitlich entlastet.
Maßnahmen, wie zum Beispiel das Führen eines Haushaltsbuches oder die Vermeidung übermäßiger Kreditaufnahme, können im Voraus helfen, eine Überschuldung und somit auch eine Zwangsvollstreckung zu vermeiden. Dass dies leichter gesagt ist, als getan, ist uns bewusst. Aber selbst wenn Ihnen die Schulden über den Kopf zu wachsen drohen, muss dies nicht zwingend in einer Zwangsvollstreckung enden.
Über
können Sie eine Anfrage bei AdvoNeo stellen. Wir melden uns spätestens nach einem Werktag bei Ihnen für ein kostenloses und für Sie unverbindliches Beratungsgespräch zurück, in dem Sie mehr über Ihre Möglichkeiten zu einer außergerichtlichen Einigung und der Abwendung Ihrer Zwangsvollstreckung erfahren.
II. Gerichtliches Vorgehen
Für ein gerichtliches Vorgehen gegen eine Zwangsvollstreckung gibt es verschiedene Wege:
- Die Vollstreckungserinnerung - Die Vollstreckungserinnerung (§766 ZPO) kann erhoben werden, wenn man sich gegen die Art und Weise (formelle Fehler) der Zwangsvollstreckung wehren will. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn eine nach der ZPO unpfändbare Sache gepfändet wurde. Die Vollstreckungserinnerung ist schriftlich beim Vollstreckungsgericht einzureichen, ist aber nicht fristgebunden. Das Gericht entscheidet durch Beschluss.
- Die sofortige Beschwerde - Mit der sofortigen Beschwerde (§793 ZPO) kann eine Entscheidung des Gerichts in der Zwangsvollstreckung überprüft werden. Sie ist schriftlich innerhalb einer Frist von zwei Wochen ab Zustellung der Entscheidung bei dem Vollstreckungsgericht oder dem Landgericht einzulegen. Für die sofortige Beschwerde benötigen Sie keinen Rechtsanwalt, auch nicht vor dem Landgericht.
- Die Drittwiderspruchsklage - Die Drittwiderspruchsklage (§771 ZPO) ist denjenigen Personen vorbehalten, die ihr Recht an einer beim Schuldner gepfändeten Sache geltend machen wollen. Dies wäre zum Beispiel der Fall bei einem gepfändeten Leasingfahrzeug. Die Eigentumsrechte an der gepfändeten Sache müssen dann während des Prozesses bewiesen werden. Wenn der Gegenstandswert höher als 5.000€ ist, muss die Klage beim Landgericht eingereicht werden. Dann muss ein Rechtsanwalt eingeschaltet werden.
- Die Vollstreckungsgegenklage - Durch die Vollstreckungsgegenklage oder auch Vollstreckungsabwehrklage (§767 ZPO) kann der Schuldner den Anspruch des Gläubigers auf eine Zwangsvollstreckung in Frage stellen. Dies ist zum Beispiel möglich, wenn die Forderungen bereits beglichen oder verjährt sind (mehr dazu: Verjährung von Schulden). Wichtig ist, dass die Einwendung nach Abschluss des Verfahrens entstanden ist (z.B. wurde die Forderung aus dem Urteil vollständig bezahlt). Wenn für die Klage das Landgericht zuständig ist, muss ein Rechtsanwalt eingeschaltet werden.
Für alle diese Rechtsmittel zur Abwendung einer Zwangsvollstreckung empfiehlt es sich fachkundige Hilfe in Form von spezialisierten Anwälten einzuschalten, (auch wenn dies nicht zwingend vorgegeben ist) um die Rechtgültigkeit des Vorgehens zu sichern.
III. Sonderfall: Zwangsvollstreckung in der Insolvenz
Befinden Sie sich in einem Insolvenzverfahren, dürfen Ihre Gläubiger nicht zwangsvollstrecken (§89 InsO - Vollstreckungsverbot). Dies gilt allerdings nur für Insolvenzgläubiger. Dazu gehören alle Gläubiger, die bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine Forderung geltend gemacht haben. Sie müssen diese beim Insolvenzverwalter anmelden. Ziel des Vollstreckungsverbotes ist es, keinen der Insolvenzgläubiger zu bevorzugen.
Bei einem Insolvenzantrag werden noch keine Vollstreckungsverbote ausgelöst. Erst bei der Eröffnung des Insolvenzverfahrens werden Vollstreckungsverbote wirksam.
Das Insolvenzverfahren ist jedoch keinesfalls ein Schutz gegen neue Zwangsvollstreckungen. Sollte der Schuldner während des Insolvenzverfahrens neue Schulden machen, sind diese für die Verbraucherinsolvenz nicht relevant. Neue Gläubiger haben nach Erwirken eines Titels gegen den Schuldner daher die Möglichkeit, Ihre Forderungen innerhalb der Verjährungsfrist von 30 Jahren einzuholen. Somit können Sie eine Zwangsvollstreckung auch nach Abschluss des Insolvenzverfahrens noch anordnen.
Auch bei Schulden, die nach dem Insolvenzverfahren neu entstehen, sind wieder alle Zwangsvollstreckungsmaßnahmen möglich.
Rückschlagsperre
Durch die Rückschlagsperre (§ 88 InsO - Vollstreckung vor Verfahrenseröffnung) wird das Vollstreckungsverbot noch weiter ausgedehnt. So wird eine Sicherung am Vermögen des Schuldners, die ein Insolvenzgläubiger erlangt hat, mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens unwirksam. Bei der Verbraucherinsolvenz betrifft dies alle Sicherungen, die 3 Monate vor dem Insolvenzantrag bestanden.
Auch wenn ein Insolvenzverfahren für manchen Schuldner sinnvoll sein kann, so schützt es doch keineswegs langfristig vor Vollstreckungen. Daher sollte das vorrangige Ziel bei Überschuldung sein, eine Verbraucherinsolvenz zu vermeiden.
IV. Sonderfall: Keine Zwangsvollstreckung bei Krankheit
In einem Beschluss vom 13. Oktober 2016 hat sich der Bundesgerichtshof (BGH) zu der Möglichkeit einer Einstellung der Zwangsvollstreckung wegen schwerer Krankheit geäußert (Aktenzeichen: V ZB 138/15). Demnach kann die Zwangsvollstreckung aufzuheben sein, wenn der Schuldner an einer Erkrankung leidet und diese sich durch die Zwangsvollstreckung erheblich zu verschlechtern droht.
Zwangsvollstreckung bei Krankheit abwendbar – allerdings nur unter strengen Bedingungen
Rechtliche Grundlage für die Einstellung einer Zwangsvollstreckung bei Krankheit des Schuldners ist § 765a der Zivilprozessordnung (ZPO). Demnach kann die Zwangsvollstreckung gerichtlich eingestellt werden, wenn sie für den Schuldner "wegen ganz besonderer Umstände eine Härte bedeutet, die mit den guten Sitten nicht vereinbar ist". Bezüglich einer Krankheit des Schuldners sieht der BGH diese Voraussetzungen sehr streng. So muss die Zwangsvollstreckung eine konkrete Gefahr für das Leben des Schuldners bedeuten.
Nicht ausreichend sollen dafür bloße physische oder psychische Belastungen des Schuldners sein. Ebenso genügt dem BGH für sich genommen auch nicht das Vorliegen einer lebensbedrohlichen Krankheit zum Zeitpunkt der Zwangsvollstreckung. Eine konkrete Gefahr für das Leben des Schuldners liegt dann vor, wenn die Zwangsvollstreckung den Erfolg der Behandlung einer lebensbedrohlichen Erkrankung gefährdet. Das gleiche gilt, wenn die weitere Durchführung der Zwangsvollstreckung zu einer lebensbedrohlichen Verschlechterung des Gesundheitszustands des erkrankten Schuldners führen würde.
Darüber hinaus hatte sich der BGH schon in früheren Entscheidungen zur Einstellung der Zwangsvollstreckung bei Selbstmordgefahr des Schuldners geäußert. Demnach ist die Zwangsvollstreckung auch bei einer konkreten Suizidgefahr des Schuldners einzustellen.
Im Einzelfall ist insbesondere auch entscheidend, ob die konkrete Gefahr nicht auch genauso gut durch andere Maßnahmen als eine Einstellung der Zwangsvollstreckung verringert werden kann. Dafür kommen zum Beispiel medizinische Maßnahmen oder die Wahrnehmung von Beratungsangeboten in Betracht.
Es kommt bei der Möglichkeit die Zwangsvollstreckung abzuwenden stark auf den konkreten Fall, die ärztlichen Beweise und Nachweismöglichkeiten an.
Konkreter Fall des BGH Urteils
Dem BGH-Urteil lag der Fall zugrunde, dass das Haus einer 87 Jahre alten Frau (1929 geboren), die unter einer mittelschweren Depression sowie kognitiven Störungen leidet, zwangsversteigert werden sollte. In Stresssituationen verlor die Dame die Kontrolle über Ihren Körper und erstarrte (Fachbegriff: dissoziativer Stupor). Der BGH argumentierte, dass dies im vorliegenden Fall eine zu hohe Gefahr für das Leben der Frau darstellte, denn diese könne im Falle eines Verlusts über ihre Körperbewegungen stürzen oder sich anderweitig verletzen. Insbesondere wäre durch die Zwangsversteigerung die Behandlung der Schuldnerin zu sehr negativ beeinträchtigt worden.
Der BGH wies jedoch auch darauf hin, dass in diesem Fall geprüft werden müsse, ob wie im oberen Teil erwähnt Fachpersonal und eine intensivere Betreuung der Schuldnerin das Auftreten des Stupors verringern und die Gefahr der Verletzung ausreichend gemindert werden könne. Bis dies nicht gegeben sei, könne eine Zwangsversteigerung nicht durchgeführt werden.
Lassen Sie es nicht so weit kommen, dass Ihnen gesundheitliche Schäden drohen. Auch Stress und Schlaflosigkeit wegen der Schulden wirken sich auf Ihre körperliche Verfassung aus. Und die eigene Gesundheit ist ein wertvolles Gut. Am besten ist es daher, wenn man gar nicht erst in die Situation einer Zwangsvollstreckung kommt. Denn das erspart einem Stress und die zusätzliche Belastung, die eine Zwangsvollstreckung - besonders bei einer Krankheit - bedeutet.
Zwangsvollstreckung ist nicht das Ende
Eine Zwangsvollstreckung macht vielen Schuldnern verständlicherweise Angst und wirkt zunächst vielleicht einschüchternd. Trotzdem gilt es gerade in dieser Situation, nicht den Kopf in den Sand zu stecken. Denn egal ob es um Pfändung, Zwangsversteigerung oder Zwangsräumung geht - mit der richtigen Hilfe kann nicht nur eine akute Zwangsvollstreckung abgewendet werden, sondern können auch zukünftig drohende Vollstreckungen langfristig verhindert werden.